Polen: Moderne Architektur in Krakau

Sonntag, 15. Juni 2014 00:00

Obwohl unser Nachbarland, hatte ich es bisher noch nicht geschafft auch nur eine Nacht in Polen zu verbringen. Das habe ich im Sommer 2014 endlich geändert.

Das Auslandssemester einer ehemaligen Praktikantin und Architekturstudentin war für mich Anlass, Krakau zu besuchen und mir die Stadt und ihre moderne Architektur anzuschauen. Es hat sich absolut gelohnt.

Polen ist für mich europäisches Kernland, eine Kulturnation, in dem die Kultur auf breitere Basis gestellt ist als bei uns. Ich laufe durch die Strassen des erweiterten Stadtkerns in Krakau. Bei schönem Wetter und offenen Fenstern höre ich, ungelogen, in jeder Strasse jemanden musizieren. So etwas hatte ich bisher noch nicht erlebt.


Die Altstadt ist, insbesondere aus Sicht der Stadtplanung, hoch interessant. Die Strassenzüge sind streng orthogonal - also durchgehend geplant - angeordnet. Ein alter Festungsgraben wurde später zur Parkanlage Planty umgebaut. Der zentrale Marktplatz Rynek Główny stellt mit seiner gestalterischen Qualität, seiner Dimension und Grosszügigkeit alles in den Schatten, was ich bisher gesehen habe. Ein schönes und Identität stiftendes Detail im Stadtbild sind die historischen Hausnummern, die ich auch jedem Neubau als Verpflichtung auferlegen würde.

Drei Michelin - Sterne (in deren Klassifizierung "eine Reise wert"), wenn es die denn für Architektur geben würde, vergebe ich für zwei Projekte zeitgenössischer Museumsarchitektur. Zum einen für das neue Hauptgebäude des Museums für Polnische Luftfahrt (Muzeum Lotnictwa) des Berliner Architekturbüros von Justus Pysall. Zum anderen für den Neubau des Museums Cricoteka der Architekten Agnieszka Szultk, Stanisław Deńko and Piotr Nawara (Büro Wizja / Vision und Büro nsMoonStudio), das dem Theater Regisseur Tadeusz Kantor gewidmet ist.

Was mich bei beiden Projekten tief beeindruckt hat, ist ihre Souveränität und Stärke im Umgang mit den vorgegebenen Anforderungen.

Obwohl aus Beton, scheint das neue Gebäude des Muzeum Lotniztwa über dem Rollfeld zu schweben. Die dreieckigen Formen übersetzen „das Fliegen“ mit Leichtigkeit auf das große Gebäude, dessen Hülle wie große Tragflächen wirken.

Cricoteka dahingegen thematisiert gleichermaßen die Größe und den Geist des postindustriellen Standorts. Es gestaltet in Anlehnung an Tadeuzs Kantor, der innere Spannungen und Konflikte als notwendige Grundlage für die Entfaltung kreativer Energien sah, die Spannung zwischen alt und neu. Und das meisterhaft.